Eine Besichtigung des Bergwerkes von Potosi läßt uns erahnen, unter welchen Mühen die Menschen dort immer noch leben. Wir buchen eine Führung und finden uns am Morgen beim Reisebüro ein. Der Führer ist ein ehemaliger Minenarbeiter, der Englisch gelernt hat und dadurch aus dieser Arbeit herausgekommen ist. Zehn Personen werden in einen Kleinbus gepackt und mit dem Bus zur Mine im Cierro Rico gefahren. Auf dem Weg dorthin machen wir am Markt der Bergarbeiter halt. Der Führer bittet uns, für die Minenarbeiter etwas mitzubringen. Denn diese müssen ihre Arbeitsmittel, etwa Carbit, Feuerzeug, Zündschnüre oder Dynamit selber bezahlen. So kaufen wir ein: Dynamit, die Zündschnüre und Zündkapseln, dazu Feuerzeuge, manche etwas Alkohol und Trinkwasser. Es ist dann bei der Weiterfahrt ein merkwürdiges gefühl: Wir sitzen im Kleinbus und halten Dynamitstangen und Zünder in unseren Händen ...
Auf dem Berg angekommen, halten wir im Lager der Bergarbeiter. Wir sehen die winzigen und überfüllten Hütten der Bergarbeiter, in denen sie unter der Woche wohnen, ebenso den Schlamm und Schmutz, der sie umgibt. Wir Touristen bieten ihnen eine kleine Abwechslung - eine Schneeballschlacht entbrennt!
Dann werden wir mit den Utensilien für die Besichtigung ausgerüstet: Gummistiefel, ein Helm und eine Carbit-Lampe, die müde leuchtet.
Die Besichtigung kann ist Abenteuer und Anlaß zum Nachdenken zugleich. Abenteuer, weil die Wege teilweise sehr gefährlich sind: Holzleitern mit abgebrochenen Sprossen, bis zu 500 m tiefe Schächte, an denen wir auf 30-40 cm breiten breiten Wegen vorbeigehen. Immer wieder warnt uns der Führer: Vorsicht, nicht hininterfallen! Es geht bis zu 500 m senkrecht hinab! Und dann passiert es ausgerechnet mir: Bei Hinabsteigen von einer Leiter sehe ich den Boden nicht, weil die Flamme meiner Carbid-Lampe nicht größer als die eines Streicholzes ist. Ist verfehle den 30 cm breiten Weg - und stürze in einen Schacht hinunter. Doch zum meinem Glück: Der Schacht ist verfüllt, nach drei oder vier Metern ist Schluß. Der Führer, der mich festhalten will, rutscht ebenso hinunter. Oben steht der Rest der Gruppe und ruft hinunter, ob wir noch da sind! Ja, wir sind noch da. Wir sammeln unsere Helme ein und klettern wieder nach oben. Es scheint nicht viel passiert. Allerdings: Mein Fotoapparat geht nicht mehr! Draußen stelle ich außerdem einige kleine Schrammen am Scheinbein fest, einige Narben erinnern mich heute noch an den Absturz.
Zum Nachdenken bringt die Führung, wenn man dort die Arbeitsbedingungen sieht: Ab 14 Jahren dürfen die Jugendlichen dort arbeiten. Alles ist reine Handarbeit. Die jüngsten Arbeiter, eben die Jugendlichen ab 14 Jahren, tragen Kunstoffsäcke mit dem Gestein in den Schächten nach oben und schütten diese dann in beritstehende Hunte. Der Schacht, in dem unserer Führer auf dem Bild zu sehen ist, ist noch recht gut ausgebaut. Das Gewicht der Säcke beträgt 30-40 kg. Die Jungen haben nur ausgetretene Turnschuhe an, der Weg wird mit den Carbid-Lampen matt erleuchtet. Die Temperaturen betragen wischen 38° und 42°, dazu gibt das Gestein giftige Gase ab. Um diese Arbeit auszuhalten, beginnen die Arbeiter, auch schon die Jugendlichen, eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn mit dem Kauen von Kokablättern zusammen mit einem Katalysator. Dabei wird dann Kokain freigesetzt, das Hunger, Schmerz und Müdigkeit nicht spüren läßt. So rennen die Jugendlichen mit ihrer scheren Last die Schächte nach oben. Einmal stößt einer auch mit einem Mitglied unserer Gruppe zusammen, weil er in dieser Betäubung nicht mehr richtig gesehen hat. Nach ca. 3 Stunden läßt die Wirkung der Kokablätter nach, es wird eine Pause gemacht, bis die frischen Kokablätter zu wirken beginnen. Nach einigen Jahren der Arbeit als Träger können sie dann “aufsteigen” und die Hunte schieben und ziehen, eine sehr gefährliche Arbeit. Die Hunte sind mit einigen Tonnen Stein beladen und werden vorne von zwei Personen an Seilen gezogen und hinten von zwei Personen geschoben. Rutscht einer von denen aus, die den Hunt ziehen, wird er oft vom Hunt überfahren, dabei schwer verletzt, Gleider abgetrennt oder er soigar getötet. Denn Bremsen hat der Hunt nicht, damit kann er auch nicht schnell zum Stehen gebracht werden. Nach einiger Zeit kann man zum hauer aufsteigen, die das gestein mit Hacke, Meißel und Hammer aus dem Fels schlagen. Wer lange genug im Geschäft ist, darf schließlich auch mit Sprengstoff umgehen und mit Dynamitstangen den Felsen lockern. Immer wieder war während unserer Besichtigung das dumpfe Grollen von Explosionen zu hören. Die Lebenserwartung eines Berarbeiters beträgt ca. 45 Jahre durch diese unmenschlichen Arbeitsbedingungen, der Tageslohn etwa für einen Träger ca. 3 €.
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